Ein Kind aus Ihrer Klasse stirbt
Es kann passieren, dass einer Ihrer SchülerInnen stirbt, unverhofft durch einen tödlichen Verkehrsunfall, durch Selbstmord oder Mord, an den Folgen einer Krankheit (Leukämie, Aids usw.) oder an einer Überdosis Drogen. Vielleicht war der Tod absehbar, der/die Sterbende in seinen letzten Stunden begleitet von seinen besten KameradenInnen. Dennoch ist der Tod eines Schülers ein Schock für die ganze Klasse.
Wie soll man es den Schülern sagen und was kann man machen? Die Ankündigung des Todes ist ein emotionaler Moment, der vorbereitet werden sollte. Ein Ritual, altersentsprechend, in welchem die Beziehung der Mitschüler zum Verstorbenen und seine individuelle Persönlichkeit Raum finden, kann hilfreich sein (eine brennende Kerze, Blumen, eine Photographie, einer seiner Lieblingsgegenstände, seine bevorzugte Musik), lassen ihn ohne Worte spürbar unter seinen Kameraden sein. Später vielleicht einige Worte des Erinnerns. Wie es zum Tode gekommen ist. Schweigen. Vielleicht ein Gedicht oder ein Text, den er selbst geschrieben hat.
Wichtig ist, den Reaktionen der MitschülerInnen genügend Platz einzuräumen. Fragen sollten so genau wie möglich beantwortet werden, Erinnerungen an den Verstorbenen lassen ihn aufleben. Im Falle eines Selbstmordes kann die Unterstützung durch Psychologen sehr hilfreich sein. Die emotionalen Reaktionen können äusserst heftig ausfallen und ihre Äusserungen sind unerlässlich. Denn ausgerechnet der beste Freund und der Erzfeind des Verstorbenen sind gleichermassen in Gefahr, ihm in den Tod folgen zu wollen. Offenheit, in einer solchen Situation, ist die beste Suizidprophylaxe.
Abschiednehmen. Jede/r SchülerIn macht das auf seine Weise. Einige möchten vielleicht noch einmal ihren Kameraden sehen. Nach Möglichkeit sollten sie zu diesem Schritt ermuntert werden. Ein symbolisches Abschiedsgeschenk, eine letzte Geste des Friedens, kann enorm wichtig sein für die spätere Trauerverarbeitung. Auch ein Besuch bei der Familie des Verstorbenen kann für beide Seiten tröstlich sein.
Die Bestattung. Sie bildet den äusseren Rahmen, um den Verlust zu begehen, um über den Verstorbenen als Mitglied der Gemeinschaft zu sprechen, um Trost zu spenden und zu empfangen, um Beziehungen neu zu gestalten. Es ist gut, wenn die Klasse anwesend ist (ohne zwingende Verpflichtung allerdings), die Abdankung nach Möglichkeit mitgestalten kann (Vortrag eines Textes, Gesang, Anfertigung eines kleinen Kranzes, der am Grab niedergelegt wird). Auf diese Weise lernt die MitschülerInnen das soziale Umfeld des Verstorbenen kennen. Zum Abschluss findet die Klasse für einen besinnlichen Augenblick zusammen. In der Folge wird das Klassenleben seinen gewohnten Lauf nehmen. Das Vergessen darf sich jedoch nicht breit machen. Es ist wichtig, von Zeit zu Zeit den Verstorbenen in Gedanken und Worten aufleben zu lassen. Die Trauer der engsten Freunde gleicht der Trauer der engsten Angehörigen. Es ist sinnlos, diesen Prozess verdrängen zu wollen. Der Trauernde wird von der Trauer eingeholt.
Tod eines Angehörigen eines/r SchülerIn
Es kann passieren, dass einer Ihrer SchülerInnen ein Familienmitglied oder einen guten Freund verliert.
Wie soll man sich verhalten? Wie kann man diesem Schüler helfen? Der Regenbogen Schweiz, eine Selbsthilfeorganisation von Eltern, die um ein verstorbenes Kind trauern, versucht, aus seiner langjährigen Erfahrung mit Betroffenen einige Gedanken zu formulieren, die vielleicht auch Ihnen helfen werden.
Ein Todesfall in der Familie bringt das tägliche Leben durcheinander, zerstört das bis anhin funktionierende Gleichgewicht und wirft die Betroffenen in einen schmerzhaften und kräfteraubenden Trauerprozess. Der Verlust von Vater oder Mutter kann Kindern emotional den Boden unter den Füssen entziehen, Kleinkinder entwurzeln und ihr Vertrauen in das Leben tief erschüttern. Ihr soziales Selbstverständnis ist getroffen und macht sie äusserst verletzlich. Der Verlust einer Schwester oder eines Bruders zeigt in hohem Masse das Unvermögen von Eltern, ihre Kinder vor dem Tod und dem Schmerz der Trennung zu schützen.
Vielleicht werden Sie bei den betroffenen SchülerInnen einige der folgenden Symptome feststellen:
Es kann helfen mit den SchülerInnen über diese Symptome zu sprechen. Die meisten Kinder werden von Schuldgefühlen geplagt. Auf irgendeine, rational nicht erklärbare Weise, fühlen sie sich verantwortlich für den Tod des Verstorbenen.
Zu Beginn sind die trauernden Eltern (Witwe/Witwer) zu sehr in ihrem eigenen Schmerz gefangen, als dass sie die Trauer ihrer überlebenden Kinder wahrnehmen könnten. Sie vernachlässigen sie oder klammern sich an sie, selten aber sind die Eltern in der Lage auf ihre wahren Bedürfnisse einzugehen. Als Folge davon fühlen sich trauernde Kinder einsam. Sie versuchen ihre Eltern durch Folgsamkeit oder Überangepasstheit zu trösten. Ihre Bemühungen sind selten von Erfolg gekrönt. Dieses Unvermögen lähmt die Kinder und kann zu einem momentanen Entwicklungsstillstand führen.
Wenn ein Familienmitglied stirbt, haben alle Überlebenden ein grosses Verlangen nach Trost und Verständnis und niemand in der Familie ist in der Lage, dieses Bedürfnis zu stillen. Oft ist das Alltagsleben von Trauer und Bestürzung beschattet. Einige Kinder ziehen sich zurück oder flüchten in eine Traumwelt, andere befriedigen ihre Bedürfnisse ausser Haus.
Die Schule mit ihren Strukturen kann diesen SchülerInnen Stabilität und Sicherheit vermitteln, vorausgesetzt, sie belastet sie nicht zusätzlich in ihrer Trauer. Sie bietet die Möglichkeit zur Schaffung von Freiräumen. Unter gewissen Umständen können Gefühle geäussert werden, die wesentlich zur seelischen Gesundung beitragen.
Das lange Verdrängen von Wut und Tränen verzögert den Trauerprozess, stört empfindlich das psychische Gleichgewicht und bedroht die Gesundheit. Häufig sind bei Jugendlichen keine äusseren Zeichen der Trauer wahrnehmbar, sie äussern sich erst später in Form von Alpträumen, Schlaf- und Appetitlosigkeit.
Was kann die Lehrperson dagegen unternehmen?
Die KlassenkameradenInnnen sollten vorbereitet werden. Man muss ihnen erklären, was geschehen ist. Ihre Freundschaft und ihre Lebenslust reissen den Mitschüler etwas aus seiner Trauerumgebung, obwohl er im Moment noch anders empfindet als sie. Es ist wichtig über den Tod zu sprechen. Der Betroffene fühlt sich ernst genommen. Er hat den Mut, Fragen zu stellen, die ihn beschäftigen und empfindet sich wieder als dazugehörend. Als Einstieg in den Themenkreis wurde in einer Untersuchung vorgeschlagen, Schüler ihre Vorstellungen vom Tode zeichnen und anschliessend kommentieren zu lassen.
Denken Sie bei Diskussionen daran, dass Kinder vor dem 8. Altersjahr den Tod nicht als unwiderruflich empfinden. In diesem Alter sind die Kinder sehr neugierig auf den Tod. Ihre Fähigkeit, Zeitabläufe zu erfassen, weckt in ihnen das Interesse für Übersinnliches. Die Erklärungen der Lehrperson helfen dem Schüler, naturbedingte Gegebenheiten von spirituellen Überzeugungen zu trennen. Dennoch ist es wichtig, sich beim Verlust eines lieben Menschen auf Hoffnung stützen zu können.
Der Austausch von Erfahrungen mit Gleichaltrigen kann sehr hilfreich sein. Einige von ihnen haben vielleicht andere Verluste erfahren.
Jacqueline Rutgers, Ouchy
für den Verein Regenbogen Schweiz
Ziel des Verein Regenbogens ist es, die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren. Der Verein hat eine Bücherliste mit zahlreicher Literatur zum Thema Tod und Sterben.
Für weitere Informationen wenden Sie sich an das Sekretariat des Verein Regenbogen Schweiz.