Hoffnung
Die Hoffnung ist eine Tür zu einem anderen Land.
Die Hoffnung ist ein Gedicht, ein Lied, ein Gesicht.
Die Hoffnung ist eine Hand in deiner Hand.
Die Hoffnung ist eine Spur, die dir vorausgeht.
„Anne Steinwart“
Gedanken erfasst von Ruth Matthys, Mutter von Dominik, der sich mit 23-jährig das Leben nahm.
Anhand meiner damaligen, gelegentlichen Notizen möchte ich von der Zeit nach dem Suizid unseres 23-jährigen Sohnes Dominik erzählen und vom Weg, den ich gegangen bin. Dieser Weg ist mein ganz persönlicher. Ich habe gemerkt, dass es nicht nur einen Weg gibt, sondern ganz verschiedene. Die Trauerzeit kann sehr unterschiedlich empfunden werden, es gibt für mich kein Rezept, wie sie sein sollte.
Vor beinahe 18 Jahren als wir die Nachricht bekamen, dass unser Sohn gestorben war, stand für meinen Mann, unsere Tochter und mich die Welt still. Ich war wie versteinert und glaubte einfach nicht, dass es wahr sein könnte. Ich stand wie neben mir, einerseits tat ich was getan werden musste, nahm aber kaum etwas richtig wahr. Zuerst wollte ich gar nicht an eine Beerdigung denken, aber im Nachhinein bin ich froh, dass wir eine würdige Abdankung haben durften.
Unsere schöne, geordnete Welt wurde in ein Chaos gestürzt. Dieses Wechselbad der Gefühle, die verschiedenen Phasen der Verzweiflung und Mutlosigkeit waren kaum zu ertragen. Zuerst wollte und konnte ich mich mit nichts anderem befassen ausser mit der Trauer. Ich war noch nicht bereit zu akzeptieren, dass unser Sohn nie mehr zurückkommen wird und unser Leben nie mehr sein wird wie vorher. Mir schien alles sinnlos, jede Bewegung bedeutete eine Anstrengung. Ich hatte das Gefühl, in einem Brunnen mit glatten Wänden zu sein und nirgends eine Möglichkeit zu finden, nach oben zu kommen. Ich verspürte auch das Bedürfnis, immer wieder das Gleiche zu erzählen und strapazierte damit meine Umgebung. Schmerzlich war auch die Tatsache, dass es oft für die nächsten Angehörigen unmöglich war, Beistand zu leisten, weil sie selber verzweifelt waren und ihre ganz persönliche Trauer durchlebten.
Das stetige Wiederholen der gleichen Worte, half mir wahrscheinlich zu begreifen, dass ich mein Leben ohne unseren Sohn einrichten musste. Langsam manchmal fast unbemerkt, begann ich die Welt um mich herum und meine Mitmenschen wieder wahrzunehmen. Dies ist auch ein Punkt, den ich vorher nie bedacht hatte. Die Menschen in unserer Nähe sind verunsichert und hilflos und verhalten sich oft unverständlich. Sie ziehen sich zurück, wenn man sie am Nötigsten hätte. Ich glaube es ist für uns und für sie eine Hilfe, wenn wir auf sie zugehen können und so den ersten Kontakt erleichtern.
Der Weg wieder zurück ins Leben war lang und tränenreich. Oft fiel ich ins alte Loch, aber es ging doch aufwärts und die Wände waren nicht mehr ganz so glatt. Mein Leben verlief in Wellen, einmal fühlte ich mich etwas besser und kurze Zeit später war ich verzweifelt und wusste eigentlich nicht warum. Lachte ich einmal über etwas, erschrak ich und hatte ein schlechtes Gewissen. In der ersten Zeit ertrug ich auch blühende Blumen oder Sonnenschein schlecht. Es schien mir nicht am Platz, da doch Dominik nicht mehr auf dieser Welt war. Ich war noch lange nicht mich selber, merkte jedoch, dass ich mich nicht mehr ganz so elend fühlte und die Erkenntnis wuchs, dass es mir wieder möglich sein würde zu leben. Ein Waldspaziergang freute mich und gerne war ich ab und zu mit Freunden zusammen. Ich konnte auch wieder ein Buch lesen und erfassen was darin stand. Die Erleichterung war gross, als mein erster Gedanke am Morgen einmal nicht unserem Sohn galt. Dies alles liess mich hoffen, dass der Druck auf der Brust doch einmal vergehen würde. In all dieser Zeit lernte ich, geduldig mit mir zu sein und meine Gefühle ernst zu nehmen.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Das Leben ist nicht mehr wie vorher, aber auch wieder gut. Ich versuche mich an schönen Tagen zu freuen und die schlechten – die es natürlich auch gibt – mit etwas mehr Gelassenheit zu nehmen. Unser Sohn hat einen bestimmten Platz in meinem Herzen erhalten und den behält er auch, aber daneben ist wieder vieles möglich. Für mich ist auch der Gedanke tröstlich, dass er an einem guten Ort ist und sicher seinen so sehr gesuchten Frieden gefunden hat.