Bericht der Oberwalliser Selbsthilfegruppe Regenbogen

von Claudia Fritzenwallner, GL Region Oberwallis

Wie schnell doch die Zeit vergeht. Im April 2003 musste ich meine kleine Michelle loslassen. Genau ein Jahr später entschied ich mich, eine Selbsthilfegruppe im Oberwallis ins Leben zu rufen. Ich ging auf die Suche nach betroffenen Eltern, die ebenfalls ein Kind in der Schwangerschaft oder danach verloren haben. Im Januar 2005 starteten wir offiziell, und nun besteht unsere Oberwalliser Gruppe bereits ein Jahr. Durch die monatlichen Treffen sind wertvolle Freundschaften entstanden. Es tut immer wieder gut, miteinander zu reden. Anfangs September trafen wir uns zu einem gemütlichen Grillplausch. Den selbst gemachten Regenbogenwegzeichen von Eveline folgend fanden wir den Weg nach Bürchen. Auch Herr und Frau Dr. König nahmen daran teil, was uns sehr freute. Dr. König stellt uns im Institut Kinderkönig die Räumlichkeiten für unsere monatlichen Gruppentreffen gratis zur Verfügung. Diese Räumlichkeiten sind einfach ideal und wir sind sehr froh, diese benützen zu dürfen. Vielen herzlichen Dank dafür!!!

Unsere Gruppe ist durchs Jahr durch etwas kleiner geworden, nichts desto trotz sehen wir es als sehr wichtig, das Angebot im Oberwallis aufrecht zu erhalten. So erhielt ich einige Reaktionen auf meinen Bericht in der Regionalzeitung über meine Geschichte mit Michelle und die gegründete Selbsthilfegruppe.

Ein nicht nur einfaches Jahr musste unsere Gruppe durchleben. So verlor eine unserer Teilnehmerinnen erneut in der frühen Schwangerschaft ihr Kind. Nun ist sie jedoch bereits wieder im 8. Monat schwanger, und wir hoffen ganz fest, dass alles gut kommt.

Im Juni bekam ich ein Telefon einer Betroffenen, die gerade dabei war die Sachen für das Spital zu packen, um ihr Kind dort tot zu gebären. Sie ist durch den Zeitungsbericht auf unsere Gruppe aufmerksam geworden. Ich erzählte ihr von meinen Erfahrungen und konnte ihr dann eine Teilnehmerin unserer Gruppe vermitteln, welche dasselbe genau in der gleichen Schwangerschaftswoche erlebt hatte. Auf ihren Wunsch hin ging meine Kollegin die Frau im Spital besuchen, als sie noch auf die Geburt warten musste. Wenige Wochen später kam sie in unsere Gruppe und meinte, es sei genau das gewesen, was sie in diesem Moment gebraucht habe, und der Besuch und die Gespräche hätten ihr enorm gut getan.

So tragisch auch dieses Schicksal ist, so freute es mich doch sehr, dass ich nun dieser Frau genau das geben bzw. vermitteln konnte, nach dem ich mich vor Jahren bei Michelle gesehnt hatte, mit jemandem zu reden, der dasselbe erlebt hatte, und zwar genau in dem Augenblick des Wartens auf die Geburt.

Übrigens, meine kleine Michelle hat erst kürzlich ein Spielzeug geschenkt bekommen. Mein eigener Vater, der im August 2005 mit 57 Jahren von uns gehen musste, hat es ihr überbracht. Der Pfarrer hatte ihm nämlich bei der Urnenbeisetzung ein kleines Stoffbärchen mit auf die Reise gegeben, um es ihr, seinem ersten Enkelkind mitzubringen. So traurig ich auch in diesem Moment war, ich musste am offenen Grab meines Vaters dadurch einen Augenblick sogar schmunzeln – und dies tat enorm gut und gab mir Kraft für alles Weitere.

In der tiefsten Trauer kommen manchmal die schönsten Gedanken – so wie auch eines Tages in der Kirche, als ich in einem inneren Bild sah, wie meine kleine Michelle quietschvergnügt auf dem Schoss meines Vaters sitzt und die zwei sich blendend verstehen und es gut miteinander haben. Ja ich bin davon überzeugt, unsere Engel sind für uns da und geben uns Kraft, genau in den Augenblicken, wenn wir es am nötigsten haben.

Im Oktober wurde ich von einer Gruppe angehender Sterbebegleiterinnen angefragt, ob ich als Betroffene bereit wäre, bei ihrer Präsentation zum Thema „Wenn Kinder sterben“ mitzumachen. Gerne ging ich dorthin und erzählte vor einer grossen Klasse meine Geschichte, und die Teilnehmerinnen konnten Fragen stellen. Durch dieses Mitmachen konnte ich wiederum den Verein Regenbogen im Oberwallis etwas bekannter machen.

Aus Schwerem kann Positives entstehen, das darf ich immer wieder erleben. Im Herbst ist eine liebe 47jährige Hebamme gestorben, mit welcher ich in der Gründungsphase unserer Gruppe Kontakt hatte. Ihr letzter Wille ist es gewesen, unseren Verein durch Blumenspendengelder zu berücksichtigen. Genau diese Hebamme wie auch wir und viele andere haben sich dafür stark gemacht, dass im Oberwallis ein Ort entsteht, an welchem namenlose Kinder begraben werden können, die tot geboren werden. Am „Weltgedenktag für verstorbene Kinder“ am 11.12.2005 konnte dann die „Kinderwiese“ in Visp offizielle eingeweiht werden. Es tut gut zu wissen, dass nun auch diese Kinder einen Ort in unserer Nähe haben, an dem sie einen würdevollen Platz haben, wo sie ihre letzte Ruhe finden.

Ich wünsche allen Betroffenen und Menschen, die diesen Bericht lesen, von Herzen alles Gute, viel Kraft und Licht in vielleicht dunklen Momenten und Stunden. Mögen unsere Engel uns auf unseren Wegen begleiten und beschützen.

In lieber Verbundenheit

Eure Claudia Fritzenwallner